Am Ende des Tunnels

»Also gut«, sagte Milan. »Ich lasse den Film entwickeln, dann werden wir sehen.«

»Was?«, fragte Grau.

Milan wiegte den Kopf hin und her. »Wir werden sehen, was zu tun ist. Du kannst nicht einfach warten, oder?«

»Kann ich nicht«, bestätigte Grau.

Milan ging hinaus. Grau hörte Sigrid Polaschke auf dem Flur schimpfen. Sie klang gereizt: »Was heckt ihr wieder aus? Ihr seid wie Kinder, die man anbinden muss.«

»Es ist doch nichts, Täubchen«, sagte Milan heiter. Dann schmeichelte er: »Kochst du uns ein schönes Abendessen?«

»Das Heimchen am Herd«, sagte sie verächtlich. »Man sollte euch Steckrüben und trockenes Brot geben.«

»Nicht so gut.« Milan lachte. »Mach Eier, das gibt Kraft.«

Grau stellte sich ans Fenster und starrte in den Hinterhof. Jemand hatte ein kleines Geviert aus Backsteinen gebaut und mit Erde gefüllt. Sechs Sonnenblumen standen da, klein und mickrig, aber sie trotzten dem Beton. Zille, dachte Grau. Jemand kam durch eine schmale Tür aus einem Seitengebäude. Es war ein sehr alter Mann mit gebeugtem Rücken. Ein Hund strich um ihn herum und bellte freudig.

Ein Kind kam auf den Mann zugelaufen, und er legte eine Hand auf den Kopf des Kindes. Er sagte irgendetwas und lachte. Der Hund, ein schmaler, schwarzer Mischling, tollte heran, sprang an dem Kind hoch und warf es um. Das Kind lachte und strampelte mit Armen und Beinen.

Es ist Sommer, dachte Grau, und ich sitze an dieser Scheißgeschichte. Dann unvermittelt: Ich wünschte, Eichhörnchen würde noch leben. Sie könnte mir jetzt helfen. Das stimmte ihn seltsam zuversichtlich.

Als Milan nach einer Stunde zurückkehrte und die Fotos von White und Thelen auf den Tisch legte, sagte Grau: »Warum schickt White mich nach Berlin? Du sagst, dass die Musik wahrscheinlich ganz woanders spielt. München oder Hamburg, Rom oder Madrid oder was weiß ich. Ist das so richtig?«

»Ja. Kann so sein.«

Grau schüttelte den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn. Ein Mann verschwindet samt Geld und Stoff. Warum sollte White mich nach Berlin schicken, wenn der Mann in Wirklichkeit in München oder Paris abhandengekommen ist? Du darfst nicht vergessen, dass ich Geld koste, ziemlich viel sogar. Behörden, auch Geheimdienste, sind verdammt pingelig. Also schickt White mich nach Berlin, weil ich hier etwas für ihn tun kann. Ich kann unverblümt rumfragen, ich bin Journalist. Ist das logisch?«

»Ja«, sagte Milan, »das ist sehr logisch, sehr gründlich, sehr deutsch. Aber vielleicht falsch. Vielleicht will White, dass du nach diesem Steeben fragst. Vielleicht will er das wirklich. Aber vielleicht es ist gar nicht so wichtig, ob du Steeben findest.«

»Verdammt noch mal. Was soll denn dann wichtig sein?« Grau war plötzlich wütend.

»Dass du fragst«, erklärte Milan. »White will wohl nur, dass du fragst.«

Eine Weile herrschte Schweigen.

»Scheiße!« Grau war genervt. »Du bist mir zu klug. Du gehst mir auf die Nerven.«

Geduldig sagte Milan: »Ist doch so: Du bist vor einer kleinen Stadt. Du kannst nicht rein, weil zwei Panzer den Weg versperren. Du machst einen Trick. Du fragst Frauen, wo der Trinkwasserstaudamm ist. Gut? Der Feind denkt: Aha, er will den Staudamm in die Luft sprengen! Also zieht er ab und deckt den Staudamm. Du kannst in die Stadt. Ist ganz einfach.«

»Sehr einfach«, höhnte Grau. »Ich habe dir doch erzählt, dass White und seine Leute und sogar der Bundesnachrichtendienst hier Schwierigkeiten hatten, weil sie illegal gejagt haben. Einverstanden? Wenn mir also die Behörden signalisieren, dass bei ihnen irgendwie Stunk herrscht, bekomme ich indirekt die Existenz des Diplomaten Steeben bestätigt. Ist das richtig?«

Milan grinste. Er zog ein Paket Tabak aus der Tasche und drehte sich eine Zigarette. »Scheißspiel«, kommentierte er. »Wenn und aber und hätte. Wie nennt man das? Das ist blöde, das ist …«

»Das ist ein Induktionsschluss, ein Schluss aus einem Schluss, ein Spielchen, vollkommen nutzlos. Also, wir haben morgen mittag einen Termin bei Sundern. Was tun wir bis dahin?«

»Wir nehmen Bilder und gehen fragen. Dieser Amerikaner hat dich hierher geschickt, dass du jemand findest. Also musst du nach dem Mann fragen. Wir werden erleben, was passiert, oder?«

»Das ist frustrierend.« Grau legte einen neuen Film in die Kamera ein. »Es gibt nur einen uns bekannten Kontakt. Das ist der zwischen Sunderns Exfrau und dem verschwundenen Steeben. Oder haben wir …«

»Du musst sie fragen«, sagte Milan. »Wir nehmen das zwar an, aber wir wissen es nicht.«

»Also könnte diese Meike ihm geholfen haben, mit dem Zaster und dem Kokain abzutauchen.«

Milan nickte. »Könnte. Frage sie und du wirst mehr wissen.«

»Falls sie mir antwortet.«

»Sie wird es tun, wenn du Druck machst.«

»Gut, du Druckmacher. Wo sind Leute, die wir fragen können?«

Milan schüttelte den Kopf. »Wir können nicht so einfach losgehen. Wir haben ein Problem. Unten vor dem Haus steht der junge Mann mit englischen Schuhen.«

»Warum sagst du das erst jetzt?« Grau war irritiert.

»Er läuft nicht weg«, antwortete Milan gelassen. »Was tun wir mit ihm?«

»Steht er auf der Straße rum, sitzt er im Auto?«

»Er sitzt in einem Auto vor der Haustür. Schönes Auto. Lancia Delta.«

»Wie hat er mich gefunden?«

»Als sie dich verprügelt haben, ist er hinter unserem Taxi her. Ich frage mich, wieso nur ein Mann?«

»Ist das etwa zu wenig?«, fragte Grau aufgebracht.

»Zu wenig«, befand Milan. »Vielleicht soll er herausfinden, was du tust, wohin du gehst, wen du triffst.«

»Ich werde ihn fragen«, entschied Grau.

»Das ist gut. Ich bin dein Schatten. Geh vor.«

Grau ging die Treppe hinunter und hinaus auf die Straße. Der Lancia stand auf der anderen Straßenseite und der blonde Mann am Steuer sah neugierig zu ihm herüber. Grau überquerte die Fahrbahn, stellte sich neben das Auto und fragte: »Kann ich Sie einen Moment sprechen?«

Der Mann hatte ein breites, gutmütiges Gesicht. »Natürlich«, sagte er mit einem Lächeln.

Grau ging um den Wagen herum, öffnete die Beifahrertür und setzte sich neben den Mann. »Wieso verfolgen Sie mich?«

»Ich verfolge Sie?« Der Mann sah ihn nicht an, sondern einfach geradeaus durch die Frontscheibe.

Grau seufzte. »Tun Sie nicht so scheinheilig. Natürlich sind Sie hinter mir her. Seit gestern. Seit dem Bahnhof Zoo, wahrscheinlich schon vorher. In Sunderns Klub, erinnern Sie sich? Hat White Sie geschickt oder Thelen? Oder sind Sie jemand von der Gegenseite?«

»Sie sollten vielleicht einen Arzt aufsuchen.« Der Mann war erheitert. »Wer sind Sie eigentlich?«

»Ich heiße Grau.«

Milan öffnete die hintere Tür und setzte sich auf die Rückbank.

»Er meint, ich bin verrückt«, sagte Grau in vorwurfsvollem Ton. »Was machen wir nun mit ihm?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Milan nachdenklich.

»Das ist irre«, kicherte der Mann.

»Warum stehst du hier?«, fragte Milan.

»Das geht dich nichts an«, sagte der Mann. Er verschränkte die Arme vor der Brust.

»Gib mir deine Papiere«, forderte Milan.

»Ich habe keine«, sagte der Mann gleichmütig.

»Ich auch nicht«, bekannte Milan. »Aber deine will ich haben. Und zwar auf der Stelle.«

Der Mann wurde unruhig und entflocht seine Arme.

Grau sah, wie der linke Arm des Mannes an der Seite nach unten verschwand. »Scheiße!«, fluchte er schrill.

Milan schlug zu, als der Arm mit der Waffe hochkam. Er traf den Mann seitlich am Ohr. Der Kopf schoss nach vorn und schlug auf den oberen Bogen des Lenkrades.

»Hör auf!«, sagte Grau heftig.

»Gib mir seine Papiere«, verlangte Milan. »Lass uns mal sehen, wie der Vogel heißt.«

Grau suchte in den Innentaschen des Jacketts, und als er das Portemonnaie ertastet hatte, zog er es heraus. »Etwas Geld, hundertzwanzig Mark. Ausweis? Ausweis. Hier. Er heißt Meier, er ist, warte mal, ein Beruf ist nicht angegeben. Aber Moment, hier ist eine Karte. Konrad Meier, Kaufmann. Mehr nicht. Völlig nichtssagend.«

»Gib mir die Knarre«, forderte Milan.

Die Waffe war in den Fußraum gerutscht. Grau angelte nach ihr und gab sie zögernd Milan.

»Nimm seinen Kopf hoch, sonst fallen wir auf. Das Ding hier ist eine belgische FN. Wird auch von deutschen Bullen benutzt. Ziemlich handlich, flach, solide.«

Grau hievte den Mann, der angeblich Meier hieß, hoch und drückte ihn dann auf den Sitz. »Meinst du, er wird lange bewusstlos sein?«

»Kann länger dauern«, befand Milan. »Was machen wir jetzt? Es ist nicht gut, dass der Mann weiß, wo du wohnst. Mach mal das Handschuhfach auf.«

Grau öffnete das Handschuhfach. Es war nichts darin außer einem Colt von der Sorte, wie Hector sie zu verteilen pflegte. »Das ist aber ein komischer Herr Meier«, murmelte er.

»Gib mir den«, sagte Milan mit einem Hauch von Aufregung in der Stimme. »Ich wollte schon immer so ein Ding haben. Wie im Krimi.« Er grinste. »Also gut, du gehst ins Haus, okay?«

»Und du?«

»Nur noch zwei Minuten Arbeit«, sagte Milan.

Grau gab ihm den Colt, stieg aus, schlug die Tür zu und überquerte ziemlich zittrig die Fahrbahn. Er blieb in der Haustür stehen und sah, wie Milan sich an Meier zu schaffen machte, dann ausstieg und sich genüsslich reckte, als müsste er sich eine überlange Autofahrt aus den Knochen schütteln. Er umrundete ganz gelassen den Lancia und zerstach mit ein paar schnellen Bewegungen alle vier Reifen.

»Was hast du mit ihm gemacht?«, fragte Grau.

»Ich habe ihn nur etwas bequemer hingesetzt. Was machst du jetzt?«

»Habt ihr ein Fenster zur Straße hin?«

»Na sicher. Was willst du machen?«

»Krach«, sagte Grau. Auf der Treppe drehte er sich zu Milan herum. »Was hast du wirklich mit ihm gemacht?«

»Er kam zu sich. Ich … ich bin dein Schatten, ich sichere dich ab.«

»Ein Schatten ohne Papiere. Was glaubst du, wie lange wird er bewusstlos sein?«

»Er ist nicht bewusstlos, aber er kann nicht aussteigen. Ich denke, er hat Schmerzen.«

»Was hast du mit ihm gemacht? Wieso hat er Schmerzen?«

»Du willst immer so viel wissen, das ist nicht gut. Im Krieg zählt nur, was vor dir liegt. Welchen Weg du zurückgelegt hast, spielt keine Rolle, eh?«

»Wieso Krieg?«, fragte Grau empört.

»Was ist das hier denn? Etwa kein Krieg?«

In der Pension stand Sigrid Polaschke auf dem Flur und starrte ihnen kämpferisch entgegen.

»Was ist los? Was habt ihr vor?«

»Ein bisschen telefonieren«, nuschelte Grau und ging an ihr vorbei.

»Wir müssen woanders schlafen«, sagte Milan gleichmütig. »Hier ist es nicht mehr sicher.«

»Und wieso nicht?« Ihre Stimme wurde vor Aufregung ziemlich schrill.

»Ruhe, Ruhe, mein Täubchen. Wir müssen ein bisschen telefonieren.« Auch er ging an ihr vorbei.

»Ich brauche ein Berliner Telefonbuch. Schnell«, sagte Grau. »Halt, zeig mir erst ein Fenster zur Straße raus.«

Milan rannte vor ihm her ins Wohnzimmer – ein Albtraum aus rotem Plüsch und goldenen Bordüren.

»Mach das rechte Fenster auf und zieh die Vorhänge zu. Das linke Fenster auch. Ich fotografiere mit dem Tele, du nimmst die normale Kamera.« Er sah hinunter auf die Straße. Ganz unschuldig stand der Lancia im blauen Dämmerlicht. »Ist er etwa tot?«

»Nein«, antwortete Milan knapp. »Ich töte nicht, wenn … Der dort ist kein wichtiger Mann.«

»Woher weißt du das?«

»Ein wirklich wichtiger Mann stellt sich nicht mit dem Auto auf die Straße. Wenn er es doch tut, hat er andere Männer und andere Autos um sich herum.«

Grau starrte auf den Mann im Auto, von dem er nur die linke Schulterpartie erkennen konnte. »Lass uns telefonieren gehen.«

Er rief nacheinander die Kriminalpolizei, den Verfassungsschutz, die Boulevardblätter und die Tageszeitungen an. Er sagte leiernd jedes Mal dasselbe: »Es spielt keine Rolle, wer ich bin: Es geht um die Friedrichsruher Straße in Steglitz. Da steht ein Lancia Delta Integrale. Dunkelblau. In dem Wagen sitzt ein Mann, wahrscheinlich bewusstlos. Er kann nicht aussteigen und nicht weiterfahren. Alle vier Reifen sind durchstochen. Wahrscheinlich ist in dem Auto eine Bombe versteckt.«

»Wieso Bombe?«, fragte Milan verblüfft.

»Sie werden alle kommen, und keiner wird sich näher rantrauen. Sie werden zusammenstehen wie die Klatschweiber und wir werden sie in Ruhe fotografieren können.«

»Das ist gut, das ist sehr gut.«

Grau nahm seine Nikon F4 und drückte Milan die Nikon AF in die Hand. Vorsichtig öffnete er zwei der Fenster und zog dann die Vorhänge zu. Jeder von ihnen schob einen Sessel vor sein Fenster. Sie setzten sich so, dass sie durch einen Spalt im Store die Vorgänge auf der Straße bequem überblicken konnten. Jetzt hieß es nur noch ein bisschen warten.

Wenig später kam Sigrid Polaschke herein, spielte die Mürrische und knurrte: »Na gut, machen wir ein Picknick draus: Ihr kriegt Kartoffelsalat mit Würstchen, wenn ihr mir verratet, weshalb zwei erwachsene Männer sich mit einem Fotoapparat an einen Schlitz im Vorhang setzen.«

»Sind wir bestechlich?«, fragte Milan.

»Ja«, antwortete Grau. »Ich bin immer bestechlich, wenn es um Würstchen mit Kartoffelsalat geht.«

Milan erzählte ihr die Geschichte von dem blonden Mann mit den englischen Schuhen, und sie linste vorsichtig durch den Vorhangspalt. »Na gut. Und jetzt?«

»Du wirst einen Logenplatz haben«, sagte Milan. »Du wirst sehen, was passiert. Aber mach die Würstchen heiß.«

»Und wieso wollt ihr ausziehen?«

»Wir müssen«, murmelte Milan. »Können wir zu Mama?«

»Bist du verrückt?«, fragte sie aufgebracht.

»Sehr«, bestätigte Grau.

Es dauerte zehn Minuten, bis etwas geschah. Aus beiden Richtungen näherte sich mit Blaulicht und ohne Sirene ein Streifenfahrzeug. In Höhe des Lancia wurden sie langsamer und fuhren schließlich Schritttempo. Sie hielten nicht an. Vermutlich wollten sie nur feststellen, ob die Angaben des anonymen Anrufers richtig waren. Dann stellten sie sich jeweils einhundert Meter von dem Lancia entfernt quer auf die Fahrbahn und ließen die Lichter kreisen. Die Beamten stiegen aus und vertraten sich neben ihren Fahrzeugen scheinbar nur die Beine.

»Geh sparsam mit dem Film um«, mahnte Grau. »Nimm immer die ganze Szene und fotografiere nur, wenn sich etwas verändert hat. Ich hole mir einzelne Leute ran.«

Nach sechs Minuten kamen noch drei Mannschaftswagen an. Die uniformierten Frauen und Männer stiegen aus, teilten sich in zwei Gruppen und schwärmten auf beiden Straßenseiten aus.

»Sie warnen die Bewohner«, sagte Grau. »Sie schicken sie in die hinteren Räume. Jetzt kommen die Sprengspezialisten. Und rechts außen kommen die ersten meiner Kollegen. Die Bullen werden sie nicht durchlassen.«

Der Wagen der Sprengspezialisten war ein kastenförmiges, graues Ungetüm, das sehr langsam und schaukelnd fuhr und unmittelbar neben dem Lancia anhielt. Zwei Männer in Monteurskluft und mit Helmen stiegen aus. Sie näherten sich dem Auto, berührten es aber nicht.

Der eine sprach in sein Funkgerät, der andere ging langsam um den Wagen herum. Der mit dem Funkgerät klopfte an die Wagenscheibe. »Meier ist bei Bewusstsein«, sagte Grau. »Er bewegt sich.«

Der mit dem Funkgerät redete und gestikulierte heftig, als wollte er Meier davon abhalten, sich zu bewegen. Sein Kollege war jetzt am Heck des Wagens und bückte sich. Dann ließ er sich flach auf den Rücken gleiten und schob sich langsam unter das Fahrzeug.

»Der Junge ist gut«, sagte Milan heiter. »Das ist ein Profi. Da sind auch Leute mit einer Fernsehkamera.«

»Achte auf zivile Fahrzeuge!«, befahl Grau kurz.

Der Sprengspezialist mit dem Funkgerät gab dem Lancia-Fahrer ein Zeichen. Grau sah, wie Meier sich zur Seite fallen ließ. Dann schlug der Mann mit einem Hammer die Scheibe ein.

»Jetzt kommen Zivilisten«, sagte Milan. »Ziemlich viele. Sie lassen sie durch. Es sind drei Wagen.«

»Gut so«, sagte Grau.

Der Mann mit dem Funkgerät langte durch das Loch in der Scheibe und öffnete die Tür. Er machte sie weit auf und bedeutete Meier gleichzeitig, sich nicht zu bewegen. Jetzt konnte man auch seine Stimme hören.

»Ruhig, Mann, ganz ruhig. Was ist mit Ihren Armen, warum …? Verdammt, lassen Sie die Beine oben auf dem Sitz. Geht das? Was ist mit Ihren Armen …? Vorsichtig jetzt.« Er hob das Funkgerät und sagte irgendetwas hinein. Von links kam ein Krankenwagen langsam angerollt.

»Vorsichtig!«, sagte der mit dem Funkgerät jetzt laut und deutlich.

Sie hörten, wie Meier fluchte und sagte: »Was macht ihr hier eigentlich für einen Scheiß?«

»Bombendrohung«, sagte der mit dem Funkgerät.

Etwa dreißig Meter entfernt begann ein Kamerateam des Fernsehens zu drehen.

»Bleiben Sie weg!«, schrie der mit dem Funkgerät. Seine Stimme überschlug sich.

Jetzt wurden Meiers Beine sichtbar, dann sein Gesäß, dann sein Rücken. Einmal schrie er grell auf.

»Ruhe jetzt!«, polterte der mit dem Funkgerät und winkte dem Krankenwagenteam. Die zwei Sanitäter kamen mit einer Trage angelaufen und legten sie neben den Lancia.

»Richtig gut«, sagte Milan. »Sieh mal, der Kerl unter dem Auto ist glatt durchgekrochen, der Mann hat Nerven.«

»Achte darauf, ob einer der Zivilisten Meier kennt oder irgendeiner mit ihm redet.« Grau holte mit dem Zoomobjektiv jeden der Beteiligten nahe heran; er fotografierte ununterbrochen.

Meier war jetzt außerhalb des Lancia und sackte zusammen. Sie legten ihn auf die Trage und brachten ihn weg.

Der Mann, der unter dem Auto durchgekrochen war, klopfte sich den Straßendreck von seinem Monteursanzug. Er sagte klar: »Wenn du mich fragst, hier ist keine Bombe. Da ist nichts.«

»Und im Wagen?«, fragte der mit dem Funkgerät.

»Gehe ich jetzt an. Aber ich glaube: Fehlanzeige.«

»Heh«, sagte Milan. »Guck mal, einer von den Zivilisten

geht zum Krankenwagen. Er will mit Meier reden.«

»Ich habe den Kerl ganz scharf«, verkündete Grau. »Aber wir sollten jetzt langsam sehen, dass wir uns dünnemachen.«

»Kein Problem«, sagte Milan.

»Das Leben kann manchmal richtig spannend sein.« Sigrid Polaschke strahlte. »Jetzt kriegen alle Kartoffelsalat.«

»Nicht jetzt«, widersprach Milan. »Jetzt müssen wir türmen. Und du weißt von nichts!«

»Das ist nicht fair«, maulte sie.

»Wir planen dich ein«, versprach Grau. »Du wirst richtig rangenommen.«

»Ja und? Und meine Pension?«

»Was hast du gegen Nachtschichten, Täubchen?« Milan stand im halbdunklen Flur und strahlte sie an.

»Wenn ich sie mit dir machen kann, ist es in Ordnung«, sagte sie beruhigt. »Uh, ist das spannend.«

»Das können wir arrangieren«, versprach Grau. »Und jetzt schnell, Klamotten packen. Können wir irgendwie über die Hinterhöfe raus?«

Sigrid nickte. »Na sicher. Meine Mama wohnt um die Ecke in der Kniephofstraße. Sie ist ein bisschen verrückt in letzter Zeit, aber nicht schlecht.«

»Du bleibst hier und weißt von nichts«, bestimmte Milan. »Wir melden uns.«

»Noch was«, setzte sie tapfer hinzu. »Pass auf dich auf. Ich habe nur dich, ich will ja nicht …«

»Schon gut«, tröstete Milan weich. »Wir schaffen das schon.«

Grau sagte: »Wenn wir hier raus sind, bringst du sofort mein Zimmer in Ordnung, Bett neu beziehen und so weiter. Meier wird ihnen sagen, dass er mich beschattet hat, und sie werden sofort hierherkommen, um mich zu finden. Du sagst, ich sei hier gewesen und nach einer Nacht wieder ausgezogen. Klar? Und sei cool.«

»Klar, ich kann gut mit den Bullen umgehen. Sie glauben mir zwar nie, aber weiter kommen sie damit auch nicht.« Sie lachte ganz beglückt.

Milan ging voran. »Es ist in der Parallelstraße. Du solltest dir den Weg merken. Durch den Keller in den Hof, dann durch die Einfahrt.« Er blieb stehen. »Es ist wichtig, zu wissen, wie das hier im Viertel läuft. Du kannst auf diese Weise drei, vier Straßen in sechs oder sieben Minuten schaffen, niemand kann dir folgen.«

»Hoffentlich brauche ich es nie«, sagte Grau. »Was hast du mit Meier wirklich gemacht?«

»Er kam zu sich, wollte mich angreifen. Da habe ich ihn etwas härter angepackt.«

»Was heißt das, Milan?«

»Er wird Schwierigkeiten haben. Sechs Wochen Gips an beiden Unterarmen.«

»Mist!« Grau gestikulierte wild mit den Händen. »Sag nicht, dass das notwendig war.«

»Es war notwendig«, sagte Milan und ging weiter.

»Bleib stehen!«, schrie Grau. »Wir müssen das klarstellen. Was hat das gebracht? Nichts! Nichts als dass dieser Meier dich und mich hassen wird, solange er lebt. Nichts als dass alle Kollegen von Meier uns verbissen suchen werden, weil sie wütend sind. Wütende Behördenhengste spielen ihre Macht aus. Dagegen sind wir ziemlich klein.«

Milan lehnte sich gegen die graue Kellerwand, an die jemand in kindlicher Krakelschrift Das Leben kotzt mich an! gesprüht hatte. Er sah Grau nicht an, er starrte auf irgendeinen fernen Punkt.

»Gut, du bist der Chef. Aber du hast gesagt, ich bin dein Schatten. Sicher bist du ein kluger Mann, aber du hast keine Ahnung von diesen Dingen, ich meine, von dieser schmutzigen Welt.

Du suchst einen Mann mit viel Geld und viel Koks. Kann sein, dass dieser Mann tot ist, kann sein, dass er lebt. Egal. Es wird Gewalt geben, weil jeder das Geld und den Stoff will. Sie wissen jetzt, dass du eiskalt bist, weil du einen Schatten hast, der das erledigt. Okay, okay, ich sorge nur dafür, dass sie dich fürchten werden.«

Er schloss die Augen, trotz seines dunklen Teints war er bleich. »Du hast einen Punkt nicht verstanden, weil du … du lebst in einer anderen Welt. Deine Welt ist höflich, meine nicht. Warum verstehst du nicht, Grau, dass alle nur eins glauben: dass du den Stoff und das Geld genauso haben willst wie alle anderen?

Journalist? Ach, scheiß drauf! Wenn ich dem Frettchen Lokuspapier in den Mund stopfe, sagst du: Keine Gewalt! Was wäre, wenn ich es nicht getan hätte, eh? Kein Gespräch mit Sundern.«

»Du glaubst, man wird mich töten, nicht wahr?«, fragte Grau. Er fühlte sich schlecht und wie ausgehöhlt.

»Natürlich. Egal, was du weißt oder wie viel du weißt. Wenn sie dich töten, ist einer weniger hinter dem Mann und seiner Ware her. Warum verstehst du das nicht? Jetzt weiß jeder: Wenn Grau kommt, wird es ernst. Wenn du nur höflich bist, werden sie lachen. Es ist eben wie Krieg, mein Freund. Ein kleiner Krieg nach dem anderen.«

»Du hast gesagt, deine Familie wurde getötet, deine Kinder, deine Frau, deine Eltern, alle. Was hast du gemacht mit den Mördern, ich meine, was hast du …?«

»Ich habe sie gesucht, diese Nachbarn. Ich habe sie umgebracht. Ich war ganz kalt, verstehst du! Ich habe mit ihnen Fußball gespielt, als wir Kinder waren. Wir hatten keinen richtigen Fußball, wir waren viel zu arm. Weißt du, mit was wir Fußball gespielt haben? Mit den Blasen geschlachteter Schweine. Also sag’s schon, Grau. Ich bin auch nicht böse, wenn du mich nicht mehr willst.«

»Warum sollten die mich töten?« Grau war verwirrt.

»Du bist naiv. Zehn Millionen Dollar und wahnsinnig viel Kokain! Niemand wird dir glauben, dass du es nicht willst. Also was ist, Grau?«

»Dann gehen wir zu der verrückten Mama.«

Sie brauchten vier Minuten. Auf dem Namensschild stand: Else Krakowiak. »Alter Berliner Adel«, murmelte Grau.

Die Frau, die ihnen öffnete, war klein und so ungeheuer fett, dass ihre Rundungen wie Hügel aufragten. Sie trug einen pelzbesetzten rosa Bademantel und in der linken Hand hielt sie eine brennende Zigarette in einer Silberspitze, die sicherlich zwanzig Zentimeter lang war. Sie hatte ein rundes, rotes Gesicht, das wie ein kleiner zufriedener Mond leuchtete, und war sehr stark rosig geschminkt. Ihre Augen waren so dunkel umrandet, dass sie wie mit Kohle nachgezeichnet wirkten.

»Guten Abend, Mama«, sagte Milan scheinbar entzückt. »Du siehst fantastisch aus. Hast du ein Plätzchen für uns?«

»Und wo ist meine Tochter?«, krächzte sie.

»Die muss arbeiten, Mama. Dürfen wir rein? Kriegen wir ein Bett?«

»Na ja, Betten hab ich genug. Und Sie, junger Mann, wer sind Sie?«

»Grau heiße ich.«

»Sind die Bullen hinter Ihnen her oder was?«

»Nein«, sagte Grau. »Ich will nur meine Ruhe.«

»Das hier ist ein anständiges Haus. Mit Bullen haben wir noch nie etwas zu tun gehabt. Ihr könnt Maxens altes Zimmer haben. Und das von Adele. Jede Nacht kostet einen Blauen, damit das klar ist.«

»Natürlich, Mama«, sagte Milan brav.

»Und was ist mit Sigrid? Hat sie auch genügend Freier? Ich habe ihr immer gesagt, dass sie für die Rente anständig anschaffen muss. Keine Müdigkeit vorschützen. Wir Freiberufler kriegen nichts geschenkt. Also rein mit euch, Jungs. Und mein Einstand?«

»Hole ich sofort«, versprach Milan. »Der Einstand ist immer eine Flasche Wodka«, erklärte er.

»Um Gottes willen«, flüsterte Grau. »Das Unternehmen wird zum Slapstick.«

»So ist das Leben.« Milan ging voraus, zeigte Grau ein kleines, sehr dunkles Zimmer und sagte: »Ich hole den Wodka. Eher gibt sie keine Ruhe.«

»Was sollte das mit den Freiern von Sigrid?«

»Na ja, sie ist eben verrückt. Sie denkt, Sigrid geht immer noch anschaffen. Bis gleich.«

»Wir haben hier kein Telefon«, sagte Grau.

»Hier sucht uns auch kein Mensch«, erwiderte Milan.

»Das stimmt. Und es ist garantiert der erste Wodka ihres Lebens, den ein amerikanischer Geheimdienst spendiert. Ist sie wenigstens verschwiegen?«

»Wie ein Grab.« Dann war Milan verschwunden.

Es roch muffig. Grau nahm sein Eau de Toilette und sprühte es durch den ganzen Raum. Die Lampe an der Decke war eine grauenhaft gelbe Funzel, die Birne in der kleinen Lampe auf dem Nachttisch war kaputt.

»Na«, krächzte die Mama in der Tür, »sind Sie ein Freier von meiner Sigrid?«

»Nein«, gestand Grau. »Sigrid ist mehr ein Kumpel.«

»Aber sie ist verdammt gut«, sagte sie. »Ich habe immer Wert darauf gelegt, dass sie fleißig arbeitet.«

»Ja.« Grau packte seine Wäsche in den Schrank. »Haben Sie ein gekühltes Bier?«

»Habe ich. Kostet aber einen Fünfer pro Pulle. Schließlich muss man was verdienen im Leben.«

»Hier ist Geld«, sagte er. »Ich bezahle auch gleich beide Zimmer. Ein paar Hunderter als Vorschuss?«

»Das finde ich gut«, sagte sie. Sie füllte die Tür vollkommen aus.

Grau reichte ihr einige Scheine und sagte: »Ich brauche keine Quittung, aber ich brauche ein Bier.«

»Das bekommen Sie, junger Mann«, sagte sie. Verwunderung war in ihrer Stimme, wahrscheinlich hatte sie nicht damit gerechnet, überhaupt einen Pfennig zu sehen. Dann verschwand sie, um sofort danach mit zwei Flaschen Bier aufzutauchen. »Wollen Sie ein Glas? Also, ich brauche nie eins.«

»Ich auch nicht«, sagte Grau und prostete ihr zu.

Milan kam zurück und reichte ihr eine Flasche Wodka. »Ach, ich weiß nicht, ob ich noch einen trinke«, flötete sie und verschwand.

»Sie setzt sich jetzt vor den Fernseher, legt einen Porno in den Videorekorder, trinkt den Wodka und schläft irgendwann ein. Sie ist Sigrids Ziehmutter. Sigrid ist ein Findelkind. Als die Nazis hier herrschten, ist Mama angeblich die jüngste und erfolgreichste Puffmutter in Berlin gewesen. Sie ist total verrückt, aber ein guter Typ.«

»Wovon lebt sie?«

»Das Sozialamt bezahlt die Rente. Wir geben ihr was dazu, wenn sie nichts mehr hat. Manchmal glauben wir, sie legt sich einfach hin und stirbt. Aber sie liebt das Leben noch immer. Sie ist zweiundachtzig!«

»Wie bitte?«

Milan nickte grinsend. »Glaub es nur. Außerdem sollten wir uns langsam mal umziehen. Und dann gehen wir auf die Piste. Ihr nennt das doch so? Ich habe mit Sigrid gesprochen, ich weiß, in welche Klubs und Kneipen wir gehen müssen.«

Eine halbe Stunde später verließen sie das Haus. Von Nordwesten her zog Bewölkung auf, es sah nach Gewitter aus. Grau hoffte auf ein Unwetter. Er würde sich mit innigem Vergnügen auf einen Hinterhof stellen, sein Hemd ausziehen und das Prasseln der Tropfen auf seiner Haut spüren. Er hatte das Gefühl, sich irgendwie abwaschen zu müssen.

Sie verabredeten, dass jeder von ihnen einen Taxichauffeur engagieren sollte. Pro Etablissement würden sie nur ein Glas trinken, Schnaps und andere scharfe Sachen waren tabu.

Sie schwatzten mit Thekengästen und Bardamen, mit Rausschmeißern und fragwürdigen Typen. Sie hockten in altdeutschen Kneipen auf Möbeln in Eichendekor. Sie schlenderten durch alte Werkshallen, die der Zeitgeist in moderne Neonfarben gehüllt hatte und die in der Szene als ›Kreativsümpfe‹ bezeichnet wurden.

Sie erfuhren, dass sich auf dem Berliner Drogenmarkt viele Gruppen tummelten: Italiener, Deutsche, Jugoslawen, angeblich auch Russen, Japaner und irgendwelche Leute aus Amsterdam, außerdem Griechen, Türken, Zuhälter, Nutten.

Sie erfuhren nichts wirklich Neues, nichts Aufregendes. Sie erkundigten sich beiläufig nach Sundern und man sagte ihnen bereitwillig, Sundern wäre der König der Nacht, ein Freund aller Lokalpolitiker, wahrscheinlich steinreich. Aber niemand konnte ins Detail gehen, niemand wusste Genaues, wenngleich jeder so tat, als wäre er gut informiert. Sundern war die Hauptfigur in einem Märchen, dessen Fabel niemand kannte.

Zuweilen traten Grau und Milan als Freundespaar auf, dann wieder trennten sie sich und sprachen mit meist freundlichen, meist betrunkenen Nachtschwärmern, die nuschelnd Auskunft gaben über Dinge, nach denen niemand sie gefragt hatte. Sie erfuhren mühelos, wer ihnen Haschisch oder Amphetamine, Kokain oder Heroin verkaufen konnte. Aber all diese Auskünfte verstärkten in Grau lediglich das dumpfe Gefühl, nichts Wichtiges in Erfahrung bringen zu können.

Vorsichtig schwadronierte er über die neuen Drogenmärkte, die sich im wiedervereinigten Deutschland etablieren würden, und prompt versicherte man ihm freundlich, dass all die großen und kleinen Dealer das sicherlich längst im Griff hätten. Fragte er, ob Unruhe die Szene ergriffen hätte oder irgendetwas auf Auseinandersetzungen zwischen Dealergruppen hinwies, so erntete er die weise Entgegnung, dass gerade Dealer jeden Grund der Welt hätten, friedlich miteinander umzugehen und die Absatzgebiete still und leise unter sich aufzuteilen, um Geschäfte zu machen. Nein, die Szene wäre ruhig und würde hervorragend leben, mit einem ständig leicht steigenden Absatz auf nahezu allen Gebieten. Und: Potenzielle Kunden sind wir doch schließlich alle, oder?

Wirten und Serviererinnen, Animiermädchen und Barkeepern hielten sie zum Schluss die Fotos von White und Thelen hin und erklärten, das wären alte Kumpel, seit Jahren verschwunden und angeblich in Berlin. Ob jemand die schon einmal gesehen hätte. Alle schüttelten den Kopf und hielten Grau und Milan für widerliche Bullen.

Sie waren müde, sie standen irgendwo in Kreuzberg auf einer Straße und gähnten. Der Tag brach an.

»Hier ist ein Mann mit zehn Millionen Dollar und jeder Menge Kokain angekommen. Das ist eine Woche her, und niemand weiß etwas, niemand flüstert, keine Gerüchte, keine Unruhe.« Grau schüttelte verzweifelt den Kopf.

Milan sagte beruhigend: »Es ist wie im Krieg, lange Zeit ist alles still. Und dann kracht es.«

Sie einigten sich auf das Laternchen am Halleschen Tor als ihre letzte Station an diesem Abend. Milan wusste, dass dort eine bunt gemischte Truppe verkehrte. Die letzten Streuner der Nacht, Nutten, Zuhälter, aber auch mächtige Typen aus der Szene, von denen kein Mensch wusste, wovon sie eigentlich lebten, die aber auch niemand danach zu fragen wagte.

»Hier findet das eigentliche Leben statt«, erklärte Milan. »Hier gibt es Soleier und Klopse, Sekt und Kaviar.«

»Na denn«, sagte Grau müde.

Sie blieben in der Tür stehen, weil das Szenarium ungewöhnlich war. Die Kneipe, mit niedriger Decke und ganz in mattgelbes Licht getaucht, war bis auf den letzten Platz besetzt. Grau hatte Frühkneipen immer schon gemocht. Er liebte ihren Lärm und ihre zerbrechliche Nachdenklichkeit, er liebte diesen letzten Walzer des alten Tages. »Oh«, murmelte er betroffen.

In dieser Kneipe war es ruhig, viel zu ruhig. Alle Gäste starrten gespannt auf die Tür, als erwarteten sie ein Unglück.

Milan begriff sofort, er wandte sich seitwärts an Grau und sagte laut und ungeniert: »Weißt du, wir haben mit Mama wirklich viel am Hals. Neulich hat sie vergessen, wo die Lichtschalter in der Wohnung sind. Da hat sie jede Birne einzeln ausgeschraubt. Stell dir das mal vor.« Er redete ununterbrochen weiter, steuerte zielstrebig die Theke an, grüßte freundlich mit »Guten Morgen!« und verlangte zwei Bier. Erst jetzt drehten sich die Köpfe weg, erst jetzt gab es Entwarnung.

»Alte Leute allein zu Hause sind immer gefährdet«, sagte Grau vage. Er sah den Wirt hinterm Tresen an. »Ich habe gehört, Sie haben Kaviar?«

»Haben wir.«

»Dann zweimal. Mit Roggentoast und harten Eiern.«

»Hier an der Theke?«

»Warum nicht?«, fragte Grau freundlich. Der Wirt nickte. »Läuft schon.«

»Sigrid sagt auch, sie könnte es nicht verantworten, Mama in ein Altenheim zu geben«, spann Milan weiter. »Und ich finde, sie hat recht.«

»Wahrscheinlich stirbt sie ganz schnell, wenn sie in ein Heim kommt«, steuerte Grau seinen Teil zu dieser traurigen Konversation bei.

Der Wirt war etwa vierzig Jahre alt, eine sehr schlanke, fast hagere Gestalt. Er war der Typus des harten Arbeiters und er wirkte absolut nüchtern. Grau sah ihn an und fragte: »Hier tobt doch sonst das Leben. Was ist denn heute los? Betriebstrauer?«

Der Wirt kniff die Augen zusammen. »Haben Sie nichts gehört? Machen Sie nicht einen Zug durch die Gemeinde?«

»Was hätten wir denn hören sollen?«, fragte Grau.

Der Wirt baute sich vor ihnen auf und beugte sich vor. »Sind Sie fremd hier?«

»So gut wie fremd«, sagte Milan schnell. »Und alle Leute haben gesagt, wir müssen in Ihr Lokal, wenn wir Berlin kennenlernen wollen.«

»Das ist auch so.« Der Mann nickte. »Es hat eine Entführung gegeben.«

»Eine Entführung?«, fragte Grau. »Wen hat’s denn erwischt?«

»Wenn Sie fremd sind, sagt Ihnen das eh nix«, antwortete der Wirt. »Wir haben hier so lokale Prominente. Eine Frau ist entführt worden, die Frau, nein, die Exfrau von einem Juristen. Sundern heißt der. Die Frau nennen wir hier nur die wilde Meike. Es heißt, es wären Ausländer gewesen. Aber das weiß man nicht. Eigentlich weiß nie jemand was.«

»Und die Bullen?«, fragte Grau schnell.

Der Wirt zuckte die Achseln. »Die Bullen halten sich raus. Die halten sich immer raus, wenn so etwas läuft.«

»Was denn für Ausländer?«, fragte Milan.

»Leute aus Südamerika, sagt man. Hier ist Ihr Bier. Wollen Sie nicht lieber einen Tisch im Nebenzimmer? Da können Sie gemütlicher essen.«

Grau nickte. »Wollen wir.«

»Jessas«, murmelte Milan. »Das gibt Krach.«

Sie gingen ins Nebenzimmer, wo es ebenfalls von Menschen nur so wimmelte. Der Wirt wies in eine Ecke. »Der Zweiertisch dort? Ist das recht?«

»Worum geht es denn bei dieser Entführung?«, fragte Grau.

»Das weiß niemand genau«, erwiderte der Wirt. »Um irgendwelche Dinge, für die sich unsereins besser nicht interessiert.«

»Das hört sich gut an«, sagte Grau schnell. »Ich bin Journalist. Ich liebe Geschichten aus der Unterwelt. Würden Sie die Story so erzählen, wie Sie sie gehört haben? Hilft das Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge, wenn ich Ihnen eine Tausenddollarnote gebe?« Er hasste diese direkte Anmache, aber es blieb ihm nichts anderes übrig.

»Tausend Dollar?« Die Stirn des Mannes legte sich in Falten. »Aber ich weiß nur, was alle anderen auch wissen.«

»Macht nichts«, sagte Grau vergnügt. »Irgendwo muss man ja anfangen. Hier ist Geld für eine halbe Stunde Ihrer Zeit. Hier ein Stuhl. Und nun bitte langsam und von Anfang an.«

Der Wirt nahm den Geldschein und knüllte ihn zusammen. »Das ist zu viel«, protestierte er verwirrt. »Na ja, ich fang mal an.«

»Ich mache mir Notizen«, sagte Grau munter. »Sie haben nichts dagegen?«

»O nein, warum denn? Viel weiß ich sowieso nicht. Also, der Sundern ist Anwalt und macht in Immobilien. Er ist ein big shot, wie die Amis sagen, eine große Nummer. Hat jede Menge Firmen und so. Auch für den Nachtbetrieb hat er ein paar Konzessionen. Ich kenne ihn gut, er ist wirklich ein guter Typ, knallhart, aber eben ein guter. Auch immer gut drauf und witzig. Er hat mir meine Genehmigung besorgt, ich weiß also, wovon ich rede. Er war verheiratet, mit der wilden Meike. Dann haben sie sich scheiden lassen, aber sie blieb in seinem Betrieb. Warum auch nicht? Er hat einen Klub. Das Memphis am Savignyplatz, ein Wahnsinnsding.

Heute um Mitternacht hatte er Meike losgeschickt. Sie sollte ihm Hemden zum Wechseln holen, ein paar private Dinge eben. Sie fährt also los in seine Wohnung – sie wohnen nämlich nicht zusammen –, holt das Zeug, und als sie die Tasche ins Auto lädt, um wieder ins Memphis zu fahren, kommen die und nehmen sie hops. Irgendwelche Leute. Um ein Uhr haben sie dann im Memphis angerufen und Sundern gesagt, dass er seine Ex nur wiederkriegt, wenn er ihnen liefert, was sie haben wollen. Er weiß angeblich nicht, was sie von ihm haben wollen.«

»Diese Leute, diese Entführer, sind aus Südamerika?«, fragte Grau.

»Sagt man. Einer hat behauptet, die sind aus Peru, und angeblich ist es eine Supertruppe von den Eingeborenen da. Also Indianer oder was die da sind.«

»Wo haben die denn die Meike?«, fragte Milan.

»Das weiß kein Mensch«, sagte der Wirt.

»Das ist keine tausend Dollar wert.« Milan schüttelte den Kopf.

»Wie? Oh, ich brauche das Geld nicht.« Der Wirt fummelte in der Tasche seiner Lederschürze herum.

»Wir machen tausend Dollar draus, da bin ich sicher«, sagte Grau schnell. »Beantworten Sie eine Frage: Wie hoch schätzen Sie den Einfluss von Sundern ein?«

»Also, sehr hoch, würde ich sagen. Du kannst im Nachtbetrieb in Berlin nichts machen, ohne dass Sundern es fünf Minuten später weiß. Das ist ganz sicher. Man sagt, er hätte Einfluss bei Beamten und bei Politikern auch. Eben eine große Nummer.«

»Wo ist er denn jetzt?«, fragte Milan.

»Wahrscheinlich im Memphis. Was weiß ich.«

»Bedeutet das einen Krieg in der Unterwelt?«, fragte Grau.

»Sicher, sicher.«

»Wenn Sie Sundern kennen, kennen Sie auch seine besten Freunde. Sundern braucht jetzt Hilfe. Wer wird ihm diese Hilfe geben?«

»Das weiß ich nicht«, antwortete der Wirt etwas zu schnell.

»Tausend Dollar«, mahnte Milan.

»Seid Ihr Bullen?«

»Haben Bullen tausend Dollar in der Hosentasche?«, fragte Grau. »Also, wer wird Sundern helfen?«

»Das weiß ich nicht«, wiederholte der Wirt.

»Du weißt es«, knurrte Milan.

Der Kopf des Wirtes neigte sich weit über den Tisch. »Es kommt nur Mehmet infrage. Mehmet und sein Geronimo.«

»Wo finde ich die denn?«, fragte Grau.

»Mehringdamm, Ecke Bergmannstraße. Mehmet hat ein Lokal und ein paar Mietshäuser.«

»Wer ist Mehmet?«, fragte Grau.

»Ein Türke. Seit Ewigkeiten hier. Großer Geschäftsmann. Liefert alle Logistik, die du brauchst. Von Bier bis Cola, von Rinderhälften bis was weiß ich. Auch ein big shot.«

»Ist das jetzt tausend Dollar wert?«, fragte Milan ziemlich aggressiv.

»Noch nicht ganz«, sagte Grau, holte die Fotos von White und Thelen aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. »Passen Sie jetzt mal gut auf. Wir wissen hundertprozentig, dass diese beiden Männer hier bei Ihnen im Lokal waren. Wir müssen nur noch herausfinden, wann. Also, wann war das?«

Der Wirt atmete pfeifend aus. »Ja, Moment, richtig. Die waren drei- oder viermal hier. Aber das ist eine Weile her. Warte mal … Also das letzte Mal, das war vor genau vier Wochen. Das weiß ich deshalb so genau, weil die nach Mitternacht kamen. Da habe ich nämlich in meinen Geburtstag reingefeiert.«

»Also vor vier Wochen. Wollten die beiden Männer irgendetwas von Ihnen wissen? Haben sie nach anderen Menschen gefragt, nach Adressen?«

»Also, es sind so piekfeine Typen. Graue Anzüge, Seidenkrawatten und so. Das weiß ich noch. Wollten die was? Na sicher, ich weiß es wieder. Die wollten an Nase ran.«

»Nase? Wer ist Nase?«, fragte Milan.

»Nase ist ein Kreuzberger Typ«, erklärte der Wirt. »Angeblich hat der was mit Kokain zu tun. Ist jedenfalls deswegen vorbestraft. Also, wenn Sie mich fragen, ein widerlicher Typ. Spielt den Arbeitslosen und kassiert Steuergelder vom Sozialamt. Fährt aber einen Mercedes 500. Er hat eine knallrote Nase. Die Leute sagen, er hat sich die Schleimhäute mit Kokain versaut.«

»Der richtige Name!«, drängte Milan.

»Warte mal, gleich fällt er mir ein. Also, Erwin mit Vornamen. Erwin …, nein, fällt mir nicht ein. Hat angeblich auch Mädchen laufen, Minderjährige. Der kommt mir hier nicht rein, sonst gibt’s was auf die Nuss.«

»Mit wem arbeitet Nase zusammen? Mit Mehmet? Mit Sundern, mit …?«

»O Gott, Mann, nein, doch nicht mit Sundern oder Mehmet. Die geben sich doch mit solchen Typen nicht ab. Der ist für die Luft. Nein, nein, er arbeitet, glaube ich, mit keinem zusammen. Weiß auch keiner, woher der den Stoff kriegt. Man sagt, direkt aus Amsterdam, aber Genaues weiß ich nicht.«

»Hat Nase eine Stammkneipe?«

»Ja, sicher. Braucht er doch auch. Am Tempelhofer Berg das Kiek in. Das ist mehr eine Grillstation, billig, billig. Aber Vorsicht, Nase ist ziemlich streng bei Fremden. Er hat verdammt viele Mädchen, die von ihm abhängig sind, und deshalb stützen ihn auch die Zuhälter. Nase, erzählte neulich ein Bulle, übt immer Messerwerfen. Genaues kann ich nicht sagen.«

»Wie alt ist Nase?«, fragte Milan sachlich.

»Ungefähr fuffzig. Er sieht krank aus, so, als hätte er Krebs oder Aids oder was weiß ich.«

»Und die beiden Männer wollten ihn treffen?«, fragte Grau.

»Ja, jedenfalls habe ich das so verstanden.«

»Jetzt sind es tausend Dollar«, nickte Milan.

Sie gingen hinaus auf die Straße und der Wirt fragte vorwurfsvoll hinter ihnen her: »Und der Kaviar?«

»Essen Sie ihn selbst!«, rief Grau.

»Zu Mehmet gehen wir zu Fuß«, bestimmte Milan. »Endlich wird es etwas aufregender.« Er sprang zur Seite, weil von hinten ein Wagen herangefahren kam.

»Mehmet ist ein Oberboss bei den Türken. Er hält seine Hand über sämtliche Sippen, und wenn du als Türke Scheiße baust, musst du mit Mehmet rechnen. Geronimo kenne ich, sie nennen ihn Mehmets Gewehr. Das musst du wörtlich nehmen. Wir kriegen gutes Wetter, aber zuerst mal Regen.«

Sie waren noch keine hundert Meter gegangen, als es blitzte und dann donnerte. Der Regen war dicht wie ein Vorhang und sie stellten sich unter einen Torbogen.

»Ich würde gern duschen«, murmelte Grau.

Sie gingen trotz des Regens weiter, weil sie befürchteten, Mehmets Lokal könnte schon geschlossen sein. Aber es hatte noch geöffnet und war sehr voll.

»Viel Geld hier«, sagte Milan. »Sieh dir die Frauen an, du kannst ihren Schmuck in Kilo wiegen, ihren Puder auch.«

»Wenn du Mehmet siehst oder Geronimo, sag mir Bescheid. Wieso heißt so einer eigentlich Geronimo?«

Milan grinste. »Es hat damit zu tun, dass er für den Mexikaner Geronimo schwärmt. Ich weiß nicht, ob der ein Revoluzzer oder ein Gangster war. Trinken wir ein Bier?«

»Ich möchte was essen. Irgendetwas, das man auch wirklich essen kann. Was sind das da links für alte Männer?«

»Die Elefanten. Das sind Türken, sie haben schon die erste Arbeit hinter sich. Sie waren auf dem Großmarkt, haben eingekauft und trinken jetzt ihren Tee. Sie merken sich jedes Gesicht auf immer und ewig. Das ist wichtig hier.«

»Kann man sie fragen, ob Thelen und White hier waren?«

»Sicher«, sagte Milan. »Lass mich das machen. Bestell einen Spieß Kebab. Das ist gut hier.« Er schlenderte zu den alten Männern hinüber, setzte sich zwischen sie und begann auf sie einzureden. Er wirkte dennoch zurückhaltend, höflich und voller Respekt.

Grau bestellte ein Glas Champagner und sah zu, wie Milan mit den alten Männern verhandelte und ihnen dann die Fotos zeigte. Es war nicht zu erkennen, wie sie reagierten. Sie beugten sich höflich und neugierig vor, um sie zu betrachten, aber sie nickten nicht. Milan steckte die Fotos wieder ein und redete weiter. Nach etwa zehn Minuten kam er zu Grau zurück.

»Sie waren tatsächlich hier. Mehrere Male. Aber sie waren Gäste und sie fragten nichts und benahmen sich normal. Wir brauchen jetzt nicht mehr mit Geronimo oder Mehmet zu reden. Die alten Männer sind sehr traurig, dass irgendjemand die wilde Meike geholt hat. Sie sagen: Wir wollten, wir wären zu Hause. Dort würde mit den Entführern einfach kurzer Prozess gemacht.«

»Wo steckt sie denn, die wilde Meike?«

»Sie halten sie in einem Haus an der Ostender Straße gefangen, etwa in der Mitte, im obersten Stock. Die alten Männer sagen, es sind vier Männer aus Peru. Sie sind aus Amsterdam hierhergekommen und haben Meike einfach mitgenommen. Jetzt hocken sie in dem Haus und niemand kann an sie heran.«

»Wieso nicht?«

»Es ist ein besetztes Haus, verstehst du? Voll mit Kids, die von zu Hause weggelaufen sind, voll mit Pennern und ollen Huren. Die alten Männer sagen, es sind mehr als hundertzwanzig Leute in dem Haus. Meike sitzt im vierten Stock in einer kleinen Wohnung.

Sie wollen am Nachmittag verhandeln. Sundern hat zehntausend Mark ausgesetzt, um das herauszufinden. Mehmet schickte alle seine Leute los. Sie wissen von der Ostender Straße seit zwei Stunden.«

»Was wollen die Peruaner?«

»Na was wohl? Zehn Millionen Dollar und einen halben Zentner reines Kokain.« Milan grinste breit.

»Wo ist Sundern?«

»Hier. Man nennt das hier Mehmets Burg. Hinter dem Lokal ist eine Mietskaserne. Nur Türken. Mehmets Wohnung liegt oben auf dem Dach. Da ist Sundern jetzt. Aber er kann nichts machen, sie müssen verhandeln. Angeblich hat er den Leuten in Amsterdam gedroht, er würde vier Leichen zurückschicken.«

»Er kann ihnen das Geld und den Koks geben«, sagte Grau betulich.

»Kann er nicht«, widersprach Milan. »Er hat keine Ahnung, wo das Zeug ist. Hast du deine Waffe bei dir?«

»Ja«, gab Grau zu, »ich habe sie eingesteckt. Also: Mehmets Leute bewachen das Haus?«

»Genau. Es ist ein Block hinter dem Virchow-Klinikum in Wedding. Uralte Mietskaserne. Weshalb?« Er lächelte schmal.

»Nur so«, sagte Grau. »Denkst du auch darüber nach?«

»Sicher. Über die Dächer geht nicht. Die Dächer sind steil. Was ist mit Sigrid?«

»Was soll mit Sigrid sein?«

Milan lächelte. »Wir könnten sie brauchen. Es ist sehr früh, das Haus wird schlafen. Sie könnte die Nachtschwärmer ablenken. Wie eine Betrunkene, verstehst du?«

»Gut. Und wir?«

»Wir werden sehen«, flüsterte Milan orakelhaft. »Wir sollten etwas zum Krachmachen haben.«

»Wieso?«

»Moment mal, ich gehe telefonieren.« Er verschwand und Grau bestellte sich einen Kaffee. Dann kam Milan zurück.

»Sigrid zieht sich rasch was an und kommt mit dem Taxi. Ich denke, wir machen es so, dass wir uns trennen. Das Haus ist in der Mitte vom Block auf der Ostender Straße. Du gehst von der Lütticher aus rein, ich komme über die Nebengebäude. Sigrid versucht es direkt. Sie ist eine Frau, eine betrunkene Schlampe, sie werden nicht schießen.«

»Dein Wort in Gottes Ohr.« Grau war blass und aufgeregt.